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  • Julian

Schlingel Schnipsel #9 Goldkehlensommer

Neulich las ich oder hörte ich, mir will nicht partout nicht mehr einfallen wo, die Deutschen würden oft Zugang zu Musik über die Stimme herstellen. ""Eine Wahnsinnsstimme" "Goldkehlchen" "Was ne Röhre" etc. pp. es gibt endlose Beschreibungen für große Stimmen im Pop. Weil ich des öfteren bei Konzertproduktionen rumspringe weiß ich, dass Amis zum Beispiel die Stimme beim Mixing gerne mal im Hintergrund einordnen. Ich weiß nicht ob man das generalisieren kann, also bleiben wir bei der anekdotischen Evidenz: Ich finde Musik oft dann gut, wenn die Stimme einfach toll ist. Andersrum funktioniert das auch: ich kann bis heute keinen Casper Song hören, weil ich die Stimme grauenhaft finde.


Vielleicht bin also auch ich ein wandelnder Argumentationsbeleg für die teutonische Stimmenverrücktheit. Am Ende ist es aber auch Wurscht eigentlich, weil ich fühle halt starke Stimmen, die gerne auch ein bisschen käsig daher kommen.

Und deswegen hier mal ein paar Stimmen(null käsig allerdings), die mich mit ihren Veröffentlichungen in den letzten Monaten abgeholt haben:


Cameron Winter von Geese


Selbst wer nur oberflächlich verfolgt, was ich so in die Welt herauspuste, hat vielleicht schon von der Band Geese gehört. In einem Blogbeitrag im Sommer schrieb ich eine ausgewachsene Liebeserklärung an die New Yorker. Mittlerweile habe ich die Band zweimal live gesehen und muss sagen, Sänger Cameron Winter büßt live nichts von seiner Stimmgewalt ein. Im Artikel von Juni schrieb ich über ihn:


"Winter kratzt, kreischt, flüstert, fleht und knibbelt an seiner eigenen Stimme herum, als wäre es das letzte, was er tut, als würde es da nicht um die stimmliche Gesundheit eines Goldkehlchens mit einer beeindruckenden Bandbreite gehen würde."

Und jup das stimmt auch live. Die ganze Band ist eine Attraktion aber Cameron mit seiner mal lakonischen, mal dringlichen Lässigkeit funktioniert auch live extrem gut.




Lola Young


Lola Young wäre ja jetzt beileibe nicht die erste Absolventin der Brit School, die komplett durchs Dach fliegt, aber so eine Stimme kommt halt jetzt auch nicht jedes Jahr um die Ecke. Alle sagen: Frau Young

channelt Amy Winehouse und das ist auch nicht sofort von der Hand zu weisen. Da wird schon in ähnliche Kerben geschlagen, wobei Lolas Stimme nochmal rauer und schnoddriger daher kommt. Vieles von dem, was sich an Winehouse´s Abgründen nach und nach entschälte, ist bei Lola Young auch textlich schon lange eingepreist. Und ist das nicht am Ende das, wonach der Zeitgeist dürstet!? Wahrhaftigkeit und das Zeigen auf die Wunden? Young croont sich jedenfalls auch durch ihr im Mai erschienenes Zweitwerk und das ist alles ganz schön Hammer, wenn auch zuweilen seeehr poppig.


Zaho de Sagazan


Ich habe eine monströse Schwäche für seltsam entrückte, experimentelle Popmusik aus Frankreich. Flavien Bergers neueste Platte kommt jetzt schon locker in meine Top fünf Platten des Jahres und auch Zaho de Sagazan hat mich komplett abgeholt mit ihren Synthie-lastigen, melancholischen Pop, der live auch ins derbe stampfend elektronische kippen kann. Dazu diese Stimme, die sich einreiht in die Kategorie Charlotte Gainsbourg oder auch, etwas neuer Laura Cahen oder Fishbach, wenn auch in ihrer Dunkelheit sich eher Richtung Serge Gainsbourg und vor allem auch Jacques Brel neigend. Toll in jedem Fall!


Sufjan Stevens


Die Größe von Sufjan Stevens ist eigentlich kaum in Wörtern auszudrücken. Seit über 20 Jahren verfolge ich, was der amerikanische Ausnahmesongwriter so fabriziert. Und das ist immer unglaublich ausgefeiltes, wunderschönes und überlebensgroßes Komponieren und Singen. In den letzten Jahren waren das neben seinen tollen eigenen Songs auch immer wieder Projekte, die z.B. Richtung Neoklassik oder Ambient gehen. Seit "Illinoise", die 2004 rauskam bin ich hooked, auch weil seine Texte Düsteres wie Wunderschönes gleichermaßen beinhalten. Er selbst ist erst neulich nach schwerer Erkrankung zurückgekehrt mit "So You Are Tired" mitsamt der Ankündigung, dass es ein neues Album geben wird. Also weitere gehauchte, zerbrechliche Perlen. Herrlich!




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