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  • Julian

Platten, die die Welt bedeuten: Endless Wellness - Was für ein Glück

Endless Wellness wissen offenbar endlich, wo sie sein wollen. Und das ist doch gut.

Noch besser ist, was sie mit dieser Erkenntnis auf ihrem Debütalbum anstellen, nämlich ganz großes, und dabei entrücktes Indiedrama.


Es gibt dieses Wort im Musikjournalismus: Dringlichkeit. Damit meint die Fachjournaille, dass man beim Hören das Gefühl hat, dass etwas unbedingt rausmusste, auch eine gewisse Selbstverständlichkeit im Ausdruck gehört dazu. Und beides trifft auf Endless Wellness zu. Die erste Assoziation, die in diesem Zusammenhang aufploppt sind die immer maximal übersprudelnden Indie-Powerpopper Los Campesinos, die in den Nuller- und frühen Zehnerjahren arg tolle Platten mit lauten Gitarren und noch lauteren Stimmen aufnahmen. Auch Endlos Wellness liegt der Ausbruch nahe, der Rausch ist immanent, das Gefühl immer naheliegender als der Kopf. Und dieses Gefühl ist des öfteren geprägt von Zukunftsverdruss bis Verzweiflung.

Nun ist aber "Was für ein Glück" keineswegs ein reines Bauch- und Herzalbum, nein der Kopf wird schon ordentlich beansprucht, was zum einen an den Texten liegt, die mal schlau kalauern, dann einem Striptease gleich schonungslos Schönheiten und Abgründe zu benennen. "Da drüben, bist du, werter Abgrund oder Schönheit und ich ertrage beides" scheint das Motto zu sein.


Das Quartett kommt aus Wien, diesem besseren Berlin. Dieser kompromisslos hassend und liebenden Stadt, die so großartige Musik ausspuckt. Gefragt nach dem Zusammenhang zwischen Wohnort und Kunst, winkt das Gros der dort lebenden Künstler wohl gelangweilt ab, aber wie bittschön lässt sich dann die frappante Unegalheit vieler Wiener Bands erklären? Nein, aus der Ferne betrachtet begeistert man sich vor allem für die musikalische Vielfältigkeit der österreichischen Metropole. Referrenzgrößen sind für Endless Wellness dann maximal noch und sehr behelfsmäßig die Band Ja,Panik, auch wenn man danach schnell bei Pavement oder Tocotronic ums Millennium herum landet. Akkurater jedoch ist die Feststellung, dass Endless Wellness etwas sehr eigenes schaffen, vor allem was die Sprachlichkeit angeht, die so bildhaft wie ausgefallen ist. Die Bilder findet, die hängen bleiben. Bei guten Texten und schiefen Chören stehen zu bleiben wäre der Band aber sicherlich zu fad und so strickt die Band weirden 90er Indie, Powerpop mit Neigung Richtung Krach, Gitarrenmusik mit Orgel oder Synthie-Anstrich, mal schleppend, mal polternd, mal ein musikalischer Schluck in der Kurve. Keineswegs perfekt, aber auch ohne allzu kalkulierte Ecken und Kanten.


Und so schuf Endless Wellness mit "Was für ein Glück" eine Seltsamkeit von Album, voller offensichtlicher und verdeckter Schönheit, die ein paar Durchläufe braucht um Wucht und Größe standesgemäß zu erreichen und dann aber windschief zu glänzen beginnt. Wer das nicht so sieht, kann scheissen gehen.


Lieblingstracks: Donnerwetterblitz, Vom Hals bis zum Steiß, Schöne Dinge, Landwehrkanal, Hab nicht so, Was für ein Glück


Veröffentlicht am 26.Januar auf Ink Music



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