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  • Julian

Platten, die die Welt bedeuten: black midi - Hellfire

black midi, die unwahrscheinlichste Band der Welt reitet seit Jahren auf einer noch unwahrscheinlicheren Erfolgswelle. Mit "Hellfire" legt sie ein Werk vor, dass sprachlos, begeistert und verstört hinterlässt.


Bevor man sich die neue Platte von black midi anhört, sollte man Hörgewohnheiten und Gewissheiten über Songstrukturen, Harmonien und Wohlfühlkorridore ablegen. Das ist eine ernst gemeinte Triggerwarnung, denn black midi werfen so ziemlich alles über den Haufen, was man sich die Jahre so an Erwartungen aufgebaut hat.


Wurscht, not Wurscht


black midi auf Albumlänge(und manchmal auch in einem Song), das ist chaotischer Postpunk, dann wieder gestenreicher, orchestraler Jazzpop, nur um danach mit einem Noise State of Mind Instrumente auf die abstrusesten Art und Weisen zu malträtieren. Es ist leicht einfach auszuschalten, aber es empfiehlt sich dran zu bleiben, denn in der Kunst von black midi steckt so viel drin, dass es dereinst Doktorarbeiten brauchen wird, um sie zu entschlüsseln. Hier mal ein beschreibender Versuch: Zig Instrumente, eine absolut außergewöhnliche, weil eklektische Herangehensweise an Arrangements, Songdynamiken, ein gepflegtes Pfeifen auf Hörgewohnheiten und ganz viel Sperrigkeit, bei gleichzeitig wunderschönen Harmonien. Das alles passiert auf hohem Niveau.


Weirdos mit Oberwasser


Hier fiept und hallt es meditativ Richtung späte Talk Talk, da kracht es, um sich nur oberflächlich der neuen Postpunk Welle anzuschließen, während auch ein Ausflug in swingende Lässigkeit im Bereich des Möglichen und Wahrhaftigen liegt. An der nächsten Kreuzung warten derweil schon noisige Störgeräusche und eine vermeintlich trashige Wurschtigkeit als Pose, die sich nur leisten kann, wer seine Instrumente perfekt beherrscht. Das alles kann anstrengend sein, aber halt auch großartig und einzigartig. Die ganze Band ist voller Könner, aber was Gitarrist und Sänger Geordie Creep am Mikro und in den Texten abzieht, verdient eine besondere Erwähnung. Creep gibt mal den smoothen Crooner, dann den bellenden Shouter oder den hektischen Storyteller, nur um im nächsten Moment einfach zu schweigen und die Instrumente sprechen zu lassen.


Mit Seelenbalsam eingerieben und in den Boden gerammt


Wohin das alles führen soll? Ganz offensichtlich direkt in höchste Weihen. black midi reiten seit Jahren auf einer erstaunlichen Erfolgwelle, verkaufen Konzertsäle mit tausender Kapazität aus und erreichen mit ihrem sperrigen No Wave-Noise-Jazz-Punk erstaunlich viele Leute. Es gibt Liveaufnahmen(unten eingebunden), die sind so wahnsinnig und kaputt, dass es eine helle Freude und Schrecken gleichzeitig ist. Auf „Hellfire“ beschreiten black midi diesen Weg fort, werden noch eine Spur virtuoser und gönnen den Zuhörenden so oft wie noch nie harmonischen Seelenbalsam in Songteilform. Die Band katapultiert sich damit in die Riege der außergewöhnlichsten Musikprojekte, die es aktuell zu bestaunen gibt. Scheuklappen ablegen und dann: absolute Hörempfehlung.


black midi, "Hellfire", erschienen auf Rough Trade, 15.Juli.2022


Lieblingssongs: Sugar/Tzu, Welcome To Hell, Still, Dangerous Liaison, 27 Reasons





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