- Julian
Laberliebe: Der Podcast "Nymphe&Söhne"
In der Welt der Laberpodcasts habe ich eine neue Obsession. „Nymphe & Söhne“ ist ein selbsternannter Trash Podcast. Und das stimmt- zumindest so halb. Denn dummschwätzen ist eine hohe Kunst, die Jean-Philippe Kindler, Abdul Kader Chahin und Nymphe hervorragend beherrschen und auf einem selbstironischen, schonungslos offenen und jeden Therapeuten aufhorchen lassenden Level kultivieren. Allein schon die Rhetorik in „Nymphe & Söhne“ ist so unterschiedlich, dass es ein Proseminar bräuchte, um den Soziolekt der drei auseinander zunehmen.
Zwischen Hangover und linksradikalen Traktaten
Neben Lachflashs ist meine zweithäufigste Reaktion der Gedanke:
Ihr habt sie doch nicht mehr alle! Und: Das haben die jetzt nicht wirklich gesagt! Das alleine ist ja jetzt nicht die schlechteste Voraussetzung für einen Podcast, der in erster Linie unterhalten will.
Auffallend oft wird der eigene Kater zum Thema gemacht. Und damit ist nicht das Tier gemeint.
Es finden sich Berichte von den eigenen Haupttätigkeiten( Poetry Slam, Lohnarbeit, Texte, Revolution), Unten-rum-Geschichten, Wutanfälle Richtung Staat und Gesellschaft und gegenseitige Lobpreisungen.
Doch hier bleibt Nymphe und Söhne eben nicht stehen, sondern gelangt regelmäßig zu erhellenden, kämpferischen Abhandlungen mit Klassenstandpunkt zu den verschiedensten Themen linker Graswurzelpolitik.
Jean-Philippe "Joppel" Kindler ist der Typ dauersendender Volkstribun und rhetorische Repetierbüchse, der soviel revolutionäre Sprengkraft in der Birne hat, dass ihm der Weg zum WDR wohl für immer verschlossen bleibt. Besser isses. Für Kindler. Sein Mindset klingt zuweilen ein bisschen nach Ulrike Meinhof kurz bevor sie mit Andreas Baader aus dem Fenster in den Untergrund sprang. Dabei ist beim Liebling antideutscher Meme Pages grundsätzliches "Linke Boheme"-Potential eigentlich en masse vorhanden, aber die Zeiten stehen ja eher auf Sturm. Zu Felde zieht Kindler nicht nur gegen Autoritäten, sondern schmeisst sich auch in die Auseinandersetzungen innerlinker Widersprüche. Und so stellt sich nur noch die Frage ob er als Cult Leader oder als Antifa Posterboy in die Geschichte eingeht. Stand jetzt stürzt sich der Moderator und Satiriker erstmal in die aufbrausenden Sozialproteste und hat mit „Genug ist genug“ eine weit linke, aber selbsternannt breite gesellschaftliche Protestkampagne gegen die bedrohlich nahekommende Verheerung der Massen mit losgetreten.
Nymphe klingt nicht nur stimmlich nach einer noch durchgeknallteren Ilona Hartmann, die ausführlich aus ihrem Dating Life und Lohnabbeitselend berichtet. Dabei lässt sie hier und mal mal durchblicken, dass man mit ihr vielleicht nicht unbedingt im Themenspektrum linker Theorie in den Ring steigen sollte. Ansonsten tänzelt die Instagram-Mememaschine(Hinterhaltnymphe 2-6) entlang der Wasserwerfer, scheut sich nicht das privateste in den vorpolitischen Raum zu tragen und träumt ansonsten vom selbstbestimmten Leben, guten Beziehungen und einer gerechteren Gesellschaft, wobei die Reihenfolge changieren kann.
Abdul Kader Chahin gibt den Hamborner Atzen mit Aggressionsproblem und funkelnder Straßensyntax, vergleicht den Nahostkonflikt mit dem spanischen Classico und ahnt wahrscheinlich nicht mal, wie sehr er hier richtig und gleichzeitig falsch liegt. Der Poetryslammer und ist ein hervorragender Stimmenimitator und ist der schauspielerisch Begabteste der dreien. Chahin hat die nötige Street Credibility und ein Herz aus Gold, was nicht mal seine regelmäßigen Wutausbrüche kaschieren können. Mit dem Buch "Die Locke und der Pott" kommt demnächst Chahin´s Langstreckendebüt auf den Markt. Und wird dann natürlich hier besprochen.
Die Axt im Podcasttisch
"Nymphe&Söhne", das sind die KIZ unter den Podcasts, die Antifa Hooligans unter den Laberbacken und Nikkel Pallats Axt im Comedy Business und von daher: Schon echt ziemlich gut anzuhören.
Alles in allem ist diese Kombination und der Podcast mal zum Brüllen komisch, dann wieder nervtötend, was aber oft mit einer selbstironischen Schläue reflektiert wird. Nur in Sachen und in Zeiten sich zuspitzender Gerechtigkeitskrisen, ist es allen Beteiligten ernst mit ihrem Standpunkt. Und damit ist "Nymphe und Söhne" genau der Podcast, den wir zwar nicht verdient, aber dringend gebraucht haben.