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  • Julian

Ich glotz TV #4: Die Newsreader

Es ist einsam an der Spitze: Die Newsreader portraitiert den lokalen Fernsehjournalismus der 1980er Jahre. Eine Parabel über Machtmechanismen und Sexismus im Newsjournalismus.


Der junge Reporter Dale Jennings strebt im Dickicht des australischen Lokaljournalismus an den Newsdesk und ins Hauptprogramm. Der Weg dorthin führt damals wir heute über die Aufmerksamkeitsökonomie, in diesem Fall: das Auffallen als besonders fähig und arbeitsam.

Die Chefsprecherin Helen Norman, zu Beginn als unnahbare Säule inszeniert, will ebenfalls noch höher hinaus, rangiert als Nachrichtensprecherin schon länger in der ersten Reihe. Doch in den 80ern noch viel mehr als heute gilt für erfolgreiche Frauen: It´s lonely at the top und der Wind weht eisig. Schicht für Schicht blättert die Fassade ab und die Hochglanzwelt bekommt dicke Schrammen, verursacht überwiegend durch männliche Inkompetenz, Traumata und Intrigen. Die Newsreader zeigt Frauen, die doppelt so viel schuften müssen, um einen Bruchteil der Sichtbarkeit und Anerkennung zu bekommen. Obwohl Land auf, Land ab bekannt, muss sich Norville weiter als Blitzableiter für einen cholerischen Chefredakteur benutzen lassen. Eines besonders schlimmen Abends stürzt sie ab und wird vom jungen Dale Jennings gerettet. Aus dieser Begegnung entspinnt sich die Geschichte, die sowohl eine Nabelschau medialer Mechanismen ist, als auch ein persönliches Drama, das die formidabel aufspielenden Hauptcharaktere prägt.


Die Geschichte ist gut montiert und auch die Nebenstränge sitzen ziemlich gut, die Relevanz holt sich Die Newsreader über das Thema Newsjournalismus, das freilich nur eine von vielen Bühnen für Narzissen ist, aber eben doch nach eigenen Gesetzen funktioniert. Diesen kritischen Blick auf

Nachrichtenjournalisten behält die Serie trotz Nähe zu ihren Figuren bei. Es ist schon komisch vor allem in existenziellen Krisen Hochkonjunktur zu haben und so fällt in Die Newsreader das breite Grinsen bei Horrornachrichten auf. Sich bei extremen Krisen zu beweisen, qualifiziert für Höheres und katapultiert einen in der Hackordnung nach oben. Diese Positionen werden freilich bezahlt mit Härte, Anpassung und Rollentreue. Und so kommt die ganze, sicher nicht branchenspezifische, Kälte zum Vorschein. Die Newsreader ist eine Serie, die in Zwischentönen verstört und an kleinen Gesten große Konflikte zeigt, was die Qualität des Drehbuchs gut illustriert.

Überzeugend ist auch das Setdesign, die Produktion und die Besetzung bis in kleine Rollen hinein.


Als Sittenbild der 80er taugt die Serie gut und geriert sich zudem als Erzählung über Arbeitsfetisch und die wahnsinnige Fixierung auf Erfolg. Die krassen Spitzen des Patriarchats inklusive Homophobie, Sexismus und einer generellen Gnadenlosigkeit mögen 2023 zumindest benennbar sein, Quotendruck, Ageism und Konformitätszwang hingegen schlagen weiterhin voll durch.


Die Newsreader, Staffel 1, Arte Mediathek, sechs Folgen


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