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  • Julian

Buchclub: Andrea Abreu - So forsch, so furchtlos

Mit "So forsch, so furchtlos" hat Andrea Abreu mit ihrem Debütroman in Spanien so einiges an Staub aufgewirbelt. Die Coming-Of-Age-Geschichte aus Teneriffa ist ein karges, beiläufiges, manchmal abgründiges aber vor Sprachwitz sprühendes Meisterinnenwerk.


Über dem Dorf im Hinterland von Teneriffa hängt eine dunstige Glocke aus Wolken und Hitze. Und auch eine gläserne Decke gegen die zwei Protagonistinnen stoßen. Isora und Sis, aus deren Perspektive geschrieben wird, sind beste Freundinnen. Ein Durst nach Ausbruch und nach Sensation hängt über der Pubertät im allgemeinen und dieser Miniatur im speziellen. Weil dieser Durst in einem kargen Kaff im Hinterland von Teneriffa so gut wie unmöglich zu stillen ist und die Familie nicht nur nervt, sondern manchmal auch grausam ignorant und gemein ist, flüchten sich die zwei Protagonistinnen in eine ganz eigene Welt und entwickeln Strategien um mit der tristen Realität klarzukommen. Eine innige Freundschaft kann zumindest die eigene Welt retten und so sinnieren die zwei über "Zärtlichkeiten, die noch niemand erfunden hat", erkunden gegenseitig ihre Körper, führen ein gemeinsames Liederbuch und begleiten sich abwechselnd bis vor die eigene Haustür. Isora und Sis legen sich an die aufgebrochene Versiegelung des Gebirgsflusses und träumen sich weg. In eine weniger triste Welt ohne Großmütter die einen auf Diät setzen, ohne alles langsam machender Hitze und ohne die Prekarität, die alle Lebensbereiche durchwirkt. Ohne Bauschutt vor der Haustür und archaische Vorstellungen von Geschlechterrollen. Doch die Realität lässt sich eben nur bedingt wegträumen, vor allem wenn die Erwachsenen einem das Leben zur Hölle machen. Isora nennt ihre herrische Großmutter "Bitch" und lässt sie im Glauben, dass Bitch das englische Wort für Oma sei. Dieser Brückenschlag zwischen Aversion und Pragmatismus steht symbolisch für ein Buch, das lakonisch und dramatisch, witzig und todtraurig und vor allem sehr forsch und sehr furchtlos ist. Und die Moral der Geschichte ist: Alles, selbst die Widrigkeiten der Frühpubertät, ist auszuhalten, wenn man es nur gemeinsam tut, doch auch diese Idee ist in " So forsch, so furchtlos" auf brüchigen Füßen gebaut.


Die Sprache? Ungewöhnlich, bildhaft und sehr sehr eigen.

Fitzelchen, Mimi und uckuckuck sind immer wiederkehrende Begriffe und mit ihnen einher geht eine lautmalerische Sprache, mit der auch das deprimierende, das dreckige, die Abgründe aus dem Leben der Protagonistin und ihrer besten Freundin beschrieben wird. Lakonisch und schonungslos fast aufreizend beiläufig wird die Grausamkeit des Aufwachsens, traumatische Ereignisse und die schrecklich-schöne Innigkeit der zwei so unterschiedlichen Mädchen beschrieben. Eine Sprache im Stakkato, eine Schnodrigkeit im Stil, eine teilweise Lektoratskomplettverweigerung und eine schonungslose Erzählung macht diesen Roman zu einem besonderen Leseerlebnis.




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